Zwischendurch ist es auch mal langweilig

In São Paulo mussten wir uns endlich entscheiden, wie wir in Brasilien weiterreisen sollen. Da es uns trotz mildem Winter südlich von São Paulo zu kühl war, beschlossen wir Richtung Norden zu reisen und den Süden erst im Dezember zu besichtigen. Da wir vor Weihnachten von São Paulo nach Südafrika fliegen, müssen wir ja eh hierhin zurück und können uns dann das Pantanal, die Iguaçu Wasserfälle etc. auch bei angenehmeren Temperaturen anschauen.

Dementsprechend fuhren wir nach Ilhabela, eine bei Brasilianern beliebte Ferieninsel. Schnell mussten wir jedoch feststellen, dass hier ausserhalb der Hauptsaison kaum etwas los ist (es grenzt schon fast an ein Wunder ein Restaurant zu finden, das nicht schon um 16:00 Uhr schliesst…) und da das Wetter auch nicht mitspielte, mussten wir uns grösstenteils im Hostel die Zeit vertreiben. Wir konnten nach Ilhabela leider nicht direkt nach Rio de Janeiro fahren, da immer noch die Olympiade stattfand und in der gesamten Stadt kaum freie Zimmer zu finden waren bzw. die einzigen freien Zimmer zu horrenden Preisen angeboten wurden. Rio ist ja sonst schon nicht gerade günstig, aber den vier- bis fünffachen Preis für ein Zimmer zu bezahlen, war uns definitiv zu blöd. Daher legten wir noch einen kurzen Stopp in Paraty ein, einem kleinen Fischerstädtchen mit einem wunderschönen historischen Zentrum. Wir haben ein günstiges Zimmer in einem B&B bekommen, aber nach der ersten Nacht zeigte sich wohl der Nachteil des Preises: Abends konnten wir wegen den lauten und wohl nicht ganz nüchternen Nachbarn nicht einschlafen und morgens wurden wir vom irrsinnig lauten Vogel des Besitzers geweckt. Wir überlegten uns schon den armen Vogel, der in einem winzigen Käfig eingesperrt war, heimlich frei zu lassen, als wir vom Besitzer erfuhren, dass er ziemlich viel Geld wert war, weil er anscheinend so schön singt und damit an Wettbewerben erstaunlich hohe Preisgelder abräumen kann o.O Unsere Freilassungsaktion liessen wir – trotz schlechten Gewissens – doch wieder sein…

dsc07925_blog-copy dsc07944_blog-copy dsc07964_blog-copy

Nach Paraty erwartete uns endlich Rio – juhuuuu! Die Überbleibsel der Olympiade haben wir hier auch noch zu Auge bekommen 😉 Wie schon vermutet ist die Stadt einfach nur toll! Kilometerlange Strände, an denen man Caipirinhas mit allen möglichen Früchten schlürfen kann, und im Hintergrund die vom Urwald gesäumten Hügel und Berge. Bis auf die sehenswerte Selarón-Treppe müssen wir das gesamte Sightseeing dann vor der Weiterreise nach Afrika nachholen, da Rio trotz seiner Grösse mit der gemütlichen Stimmung dazu verleitet, den ganzen Tag am Strand zu liegen, Caipis zu trinken, Leute zu beobachten und regelmässig zwischen Copacabana und Ipanema hin und her zu spazieren. Zum Geburtstag von Felix gönnten wir uns ein Geschenk (ich habe ja meines auch noch nicht erhalten) und kauften uns zwei Skateboards. Blöd nur, dass ich nie gelernt habe, damit zu fahren, während Felix wie Speedy Gonzalez davonflitzt… Aber immerhin habe ich mir noch keine Verletzung zugezogen 😉

Die Tage nach Rio de Janeiro sind bis auf eine Walbeobachtungstour nicht wirklich erwähnenswert. Unser Ziel war eigentlich Bahia (wo unter anderem auch Salvador liegt). Um mit dem Bus jedoch dorthin zu gelangen, muss man zuerst den Staat Espirito Santo und den Süden Bahias passieren, die wirklich nicht viel zu bieten haben. In Espirito Santo sind weder Strände noch Städte attraktiv und dementsprechend ist die touristische Infrastruktur auch nicht besonders toll. Im Süden Bahias dagegen findet man kleine Fischerdörfchen, die aber derart verschlafen sind, dass es einem schnell langweilig wird (der winzige Dorfplatz und die Kirche sind innerhalb von wenigen Minuten besichtigt…). Da es auch relativ wenig Touristen gibt und diese in 99% der Fälle nur Portugiesisch sprechen, sind Unterhaltungen auch nicht besonders spannend, da wir uns nur schlecht verständigen können.

dsc08192_blog

Wir zogen also weiter nach Porto Seguro, einige hundert Kilometer südlich von Salvador, das eine grössere Stadt ist und relativ touristisch ist, was uns nach den letzten langweiligen und einsamen Tagen relativ gelegen kam 😉 Zwar sind auch hier praktisch nur Brasilianer unterwegs und unser Portugiesisch ist noch nicht wirklich auf Interaktionsniveau, aber immerhin kann man hier gemütlich am Strand oder in einem Strassencafé sitzen und den Wellen oder den Menschen zuschauen 😉 Wir haben uns dann auch ein Mietauto gegönnt (anscheinend kann man hier nirgends einen Roller mieten – aber bei den günstigen Automietpreisen ist die Nachfrage danach vermutlich nicht gerade gross) und haben die Umgebung erkundet. Wir durften erstmals (und gleich mehrmals) Autofähren benutzen, da die Küste hier von Flüssen durchzogen ist. Bei der ersten Fahrt verkeilte sich die Fähre derart, dass wir uns eine halbe Stunde lang nur millimeterweise hin und her bewegen konnten. Als wir ein paar Stunden später wieder zurück wollten, wurde uns mitgeteilt, dass aufgrund eines Problems nur noch eine Fähre statt zwei unterwegs waren. Ob dies im Zusammenhang mit dem Verkeilen steht, sei dahin gestellt 😉 Die Küste hier ist sehr schön – man fährt kilometerweise durch die Pampa der Küste entlang und entdeckt hie und da mal ein winziges Dorf (in welchem ein Einwohner sogar ein T-Shirt vom Luzerner Blue Balls 2012 anhatte!!!), ein paar grasende Pferde oder auch kleine neugierige Äffchen (Fazit nach fast neun Monaten Reise: Der jöö-Faktor von Affen steigt umgekehrt proportional zu ihrer Grösse). Auch eine holprige Fahrt durch den Urwald blieb uns nicht erspart – dies jedoch nur, weil wir eine Abkürzung ins nächste Dorf nehmen wollten, die sich letztendlich als ziemlicher Umweg herausgestellt hat. Als wir dann die erste Bodenwelle entdeckten, wussten wir aber, dass wir es langsam wieder zurück in die Zivilisation geschafft haben. Die Bodenwellen in Brasilien verdienen eigentlich einen eigenen Beitrag: Sobald sich auch nur zwei Hütten in der Nähe befinden, werden sofort unzählige Bodenwellen gebaut, damit man auch ja alle paar Meter abbremsen muss. Sehr fragwürdig ist ausserdem, dass es solche auch auf gepflasterten und von Schlaglöchern gesäumten Strassen (wohl eher Wege) gibt, wo man aufgrund des schrecklich unebenen Bodens eh nicht schneller als 10 km/h fahren kann. Da muss man schon fast volle Pulle aufs Gas drücken, um über die Bodenwelle zu kommen…

dsc08261_blog-copy

Nun sind wir seit drei Tagen in Itacaré, einem kleinen aber feinen Städtchen ein paar hundert Kilometer südlich von Salvador. Itacaré gehört zu den bekanntesten Surfspots Brasiliens (mit richtig schönen Stränden!) und es geht hier dementsprechend gemütlich zu. Das Publikum ist jung und tendenziell ein wenig hippiemässig drauf (wir haben nie so viele Dreadlocks auf einem Haufen gesehen). Hier haben wir auch die liebe Aylin getroffen, eine Freundin aus Luzern. Gestern besuchten wir einen einsamen Strand, der auf der anderen Seite des Dschungels liegt. Da sich ab und zu einige Leute im Dschungel verirren, wurde uns mehrfach wärmstens empfohlen, einen Guide zu organisieren. Mit Paolo haben wir zwar nicht einen der offiziellen Guides gebucht, aber es war dementsprechend umso lehrreicher und lustiger. Während andere Leute ruckzuck in 45 min durch den Dschungel watscheln, benötigten wir mindestens drei Stunden, da wir eine Lernstunde zu zig (Heil-)Pflanzen erhielten, an welchen wir unterwegs vorbei spazierten. Ausserdem besuchten wir zwei Wasserfälle und hielten immer wieder an, um Affen und Vögel zu beobachten, die Paolo selbstverständlich per Lockrufe hervorlockte. Auch erklärte er uns immer wieder, welche Pflanzen und Spinnen gefährlich oder gar tödlich sind. Dank einiger Lachkrämpfe, weil wir uns über kulturelle Unterschiede zwischen der Schweiz und Brasilien (besonders amüsant waren die unterschiedlichen kulinarischen Spezialitäten aus den beiden Ländern wie Pferdefleisch oder Hoden verschiedenster Tiere, die das Gegenüber meistens schockierten) waren wir gezwungen, kurz anzuhalten und uns zu beruhigen. Was ebenfalls einige Zeit in Anspruch nahm, waren die kurzen Pausen von Paolo, weil er sich ständig bei Wald- oder Wassergeistern bedankte. War für uns zwar äusserst komisch, aber wir gewöhnten uns schnell daran und warteten geduldig bis er mit seinen leisen Gesprächen mit den Geistern fertig war. In Brasilien sind afrobrasilianische Religionen, die ihren Ursprung in der Zeit der Sklaverei haben, noch weit verbreitet. Spiritualismus und der Glaube an (weisse und schwarze) Magie, Hexen, Ahnen und Geister spielen dabei eine wichtige Rolle. Paolo war also gar nicht so komisch, wie wir anfangs dachten 😉

dsc08300_blog-copy

dsc08344_blog-copy-copydsc08351_blog-copy-copyMorgen fahren wir weiter nach Morro de São Paulo, von wo es dann nächste Woche weiter nach Salvador geht. Dort werden wir mal fast einen Monat „sesshaft“, da ich ja während der nächsten Wochen arbeiten werde. Und ja, obwohl ich damit selten auf Verständnis stosse: Ich freue mich wirklich darauf! Dementsprechend wird es in nächster Zeit vermutlich etwas ruhiger hier auf dem Blog (nicht, dass vorher weiss Gott wie viel los war…).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert